[Weser-Kurier vom 27.10.1959] Der 26. Oktober 1959 wird für die Männer der Bremer Feuerwehr zu jenen Tagen zählen, die sie nie vergessen: Zwei ihrer Kameraden, Brandrat Kurt Lenz und Feuerwehrmann Hermann Rauch, mussten an diesem Tage Ihr Pflichtbewußtsein mit dem Leben bezahlen. Sie wurden das Opfer einer Brandexplosion an Bord des Frachters "Wihinapa", der - wie wir meldeten - mit brennender Ladung am Schuppen 3 im Europahafen liegt. Drei Männer, der Brandmeister Rondorff, Oberfeuerwehrmann Bukermann und Oberfeuerwehrmann Speelmayer liegen noch im Krankenhaus.
Um 14 Uhr geschah gestern das schwere Unglück. Seit gestern morgen um 8:00 Uhr war die Feuerwehr bereits an Bord, um sich bis zum Brandherd im Unterraum des Luk I vorzuarbeiten, nachdem der Brand im Luk II bereits am Sonntag gelöscht werden konnte. Was vermieden werden sollte, ist jetzt doch geschehen. Das Vorschiff der "Wihinapa" musste geflutet werden. Aus zwei Wasserwerfern und 12 B-Rohren schossen ab 14 Uhr die Wassermassen In den Raum. Um 13.53 konnte zum ersten Male der Befehl "Wasser halt!" gegeben werden. In dieser Zeit hatten allein die beiden Wasserwerfer pro Minute 5000 Liter Wasser und Schaum in das Schiff geschleudert.
Schon am Sonntag hatte man von von morgens um 6:00 Uhr bis nachmittags um 18:00 Uhr an Bord und im Luk II der "Wihinapa" gestanden, um den Brand im Luk II unter Kontrolle zu bekommen, zu löschen und die Ladung an Land zu schaffen. Synthetischer Gummi in Papiersäcken und 2400 Ballen Baumwolle hatten im 2. Luk gelegen. Gegen 18:00 Uhr war am Sonntag das Feuer in diesem Luk gelöscht und der größte Teil der Ladung an Land gebracht worden. Die schwierigste Arbeit, das Löschen des eigentlichen Brandherdes, sollte gestern geschehen. Im Unterraum des Luk 1 musste der Brand ausgebrochen sein. Dort lagen 1200 Ballen Baumwolle, darüber im Zwischendeck noch eine Restladung von synthetischem Gummi und Reis, in Säcken verpackt. Als die Feuerwehr gestern morgen die Lukendeckel abnahm, schwelte das Feuer noch im Unterraum. Sechs Männer stiegen mit Sauerstoffschutzgeräten in das Zwischendeck, um die dort liegenden Säcke mit Reis und Gummi an den Stropp zu hängen. Vorsichtig arbeiteten sie sich an die den Unterraum abdeckenden Lukendeckel heran. Am Oberdeck standen ihre Kameraden bereit, um in kritischen Augenblicken sofort Wasser geben zu können. Nur die Sauerstoffgeräte auf dem Rücken und die Gasmaske vor dem Gesicht machte es den Männern im Raum möglich, in der mit Qualm und Kohlensäure verseuchten Luft zu arbeiten.
Es war kurz vor 14 Uhr. Brandrat Kurt Lenz, der die Löscharbeiten am Vormittag geleitet hatte, sollte von Brandrat Overdiek abgelöst werden. "Ich muss noch mal eben hier 'rein", sagte er zu seiner Ablösung. Kurt Lenz setzte seine Gasmaske auf und stieg in das Zwischendeck. Durch die Spalten in den Lukendeckeln war die erste Glut zu sehen. "Da ist der Brandherd. Da müssen wir`ran!" Das waren wohl die letzten Worte, die Lenz mit seinen Kameraden gewechselt hat. Dann geschah das Unglück. Mit einem explosionsartigen Knall flogen Scherböcke und Lukendeckel in die Höhe, und eine gewaltige Stichflamme, gefolgt von einem Aschenregen und dickem schwarzem Qualm, füllte den Raum und schlug hoch bis zum Mars des Vordermastes. Mit letzter Kraft konnten sich noch fünf der sieben Männer über die eisernen Steigleitern an das Oberdeck retten, wo sie von ihren Kameraden über den Lukenrand gezogen wurden. Brandrat Lenz und Hermann Rauch kamen nicht wieder.
Aus der Luke 1 quollen tiefschwarze Rauchwolken. Schiffsaufbauten und Schuppenumrisse verschwanden in dem beizenden Qualm, der von dem starken Wind über das Bahngelände bis zum Überseehafen getrieben wurde. Die Feuerwehr setzte sofort alle Kräfte ein, die greifbar waren. Ein Feuerlöschboot lag längsseits des Frachters, und sämtliche Wachen, außer denen aus Bremen-Nord, waren an die Brandstelle beordert. Selbst die Freiwachen mussten herangezogen werden, da es über die Kraft der diensthabenden Wachen ging, allein mit dem Feuer fertig zu werden.
Zu dieser Zeit stand auch schon fest, dass die Ladung verloren und das Schiff in höchster Gefahr war. Jetzt musste geflutet werden. Mit einem Kran wurden zwei Wasserwerfer an Bord gesetzt. Die Pumpen auf dem Feuerlöschboot arbeiteten mit Hochdruck. Um 15:10 Uhr zeigte die Markierung am Vorschiff 23 Fuß Tiefgang an, um 15:30 Uhr waren es 26 und um 15:42 Uhr 37 Fuß Tiefgang. Etwa um 17:45 Uhr kam fast nur weißer Wasserdampf aus der Luke.. Die "Wihinapa' war mit ihrem Vorschiff bis auf 38 Fuß abgesunken und lag mit starker Schlagseite am Kai, als um 15.53 Uhr das Kommando "Wasser halt" gegeben wurde. Nur vom Leichter 63, der längsseits des Frachters lag, und vom Kai aus wurde noch Wasser gegen die heißen Bordwände geschleudert und in Luke II das glühendheiße Zwischenschott gekühlt.
Wie konnte dies Unglück geschehen? "Wir stehen bei jedem größeren Feuer vor dieser gefährlichen Situation", sagte Branddirektor Kurlenski gestern abend.
Es war alles geschehen, um die Gefahr so weit wie möglich zu mindern. Bis zum letzten Augenblick hatte das Feuer durch die in den Raum gedrückte Kohlensäure niedergehalten werden können. Je näher aber die in der Luke arbeitenden Feuerwehrmänner an die Lukendeckel kamen, um so größer wurde die Gefahr. Dabei war der starke Wind nicht ohne Einfluss. In das Zwischendeck kam immer mehr Frischluft. Sie muss dan nach und nach in den Unterraum gedrungen sein, bis dort die Luft so mit Sauerstoff gesättigt war, dass die schwelende Glut schlagartig aufflammte und dann plötzlich in Form einer Explosion den Weg ins Freie suchte.
Der tödlich verunglückte Brandrat Dipl.-Ing. Kurt Lenz war 48 Jahre alt, stammte aus Magdeburg und kam im Juli 1952 als Brandrat nach Bremen. Vorher hatte er die gleichen Aufgaben in Königsberg und Hannover gehabt. Kurt Lenz hinterläßt Frau und zwei Söhne. Hermann Rauch gehörte der Feuerwehr erst seit drei Jahren an. Er war 23 Jahre alt.